In nur kurzer Zeit hat Meditation einen unerwartet positiven Einfluss auf mein Leben bewirkt. Hier das Wie und Warum …
English: Meditation as painkiller?
Vor einem Weilchen überkam mich das Gefühl, dass die Zeit reif war, neue Pfade im Umgang mit meinen neuropathischen Schmerzen zu beschreiten. Nachdem sich mein Leben innerhalb der letzten fünfzehn Jahre intensiv um meinen steten Begleiter drehte, beschloss ich im einen weiteren Versuch zu unternehmen, diesem nicht mehr so viel Platz in meinem Leben zu geben. Ich begann zu meditieren.
Pure Esoterik
Man hört und liest immer wieder von den positiven Einflüssen von Meditation auf Körper und Geist. Auch haben sich in letzter Zeit immer mehr wissenschaftliche Studien mit dem Thema beschäftigt und Meditation ein Stück weit von ihrem esoterischen Touch befreit. Meine Neugierde war geweckt. Wie sooft war aber der erste Schritt der schwierigste.
Die Initialzündung brachte schliesslich ein kurzer Artikel, über den ich gestolpert war. Auch wenn ich mich weder an Titel noch Autor erinnere, ist mir der grobe Inhalt zum Glück im Gedächtnis geblieben. Es waren vor allem zwei Punkte, die mir die letzten Zweifel genommen haben.
5 Minuten
Erstens erleichterte es mich ungemein, zu wissen, dass es nicht nötig ist, in ein buddhistisches Kloster zu ziehen und in Askese zu leben, um sich der Meditation zu widmen. Es reicht vollkommen, sich 5 Minuten pro Tag zu nehmen, diese aber konsequent durchzuziehen.¹
Aber was tun in diesen 5 Minuten? Es gibt eine ziemlich große Bandbreite an Meditationsübungen, die von Atem-Übungen, über Mantra-Techniken bis zu Achtsamkeitsmeditation reichen.² Ich selbst habe mich erst einmal für atembezogene Meditation entschieden. Langsam durch die Nase ein- & ausatmen und dabei dem Lauf des Atems folgen. Mitfühlen, wie die Luft durch die Atemwege in die Lungen fliesst, wie sich Brustkorb und Bauch beim Einatmen heben und sich beim Ausatmen wieder senken. Klingt recht einfach, ist in der Praxis aber nicht so leicht umzusetzen. Ihr werdet schnell mitbekommen, wie schnell und wie viel der Geist wandert – ich selbst bin in meinen Meditations-Einheiten wohl noch mehr Zeit mit Abschweifen denn mit meiner Atmung beschäftigt.
Genau hier kommt der zweite Rettungsanker des ominösen Zeitungsartikels ins Spiel.
Denn es gelang ihm, mir die Angst vorm Scheitern zu nehmen. Es sei ganz natürlich und nicht im geringsten verwerflich, während der Meditation abzuschweifen. Es gehört wohl fast ein bisschen dazu und kann niemals ganz abgestellt werden. Wichtig ist nur, sich des Abschweifens bewusst zu werden und sich wieder zu konzentrieren. Die Phasen absoluter Konzentration sollten sich schliesslich mit der Zeit immer weiter ausdehnen, während sich die Momente der Ablenkung verkürzen.² Und wenn nicht, ist es auch nur halb so schlimm.
Zuckerbrot und Peitsche
Ich habe es also Dank dieses Artikels geschafft, meine ersten Meditations-Einheiten auch tatsächlich durchzuziehen. Mir war aber auch wichtig, am Ball zu bleiben und das Meditieren nicht in meinem Alltag gleich wieder untergehen zu lassen. Ziel war es, Meditation zur Gewohnheit werden zu lassen.
Irgendwann hatte ich gelesen, dass man eine Handlung ungefähr 2 Monate lang konsequent durchziehen müsse, um sie zur Gewohnheit werden zu lassen.³ So nahm ich mir also für den Anfang vor, täglich zumindest 5 Minuten in Meditation zu investieren, auch wenn ich mich dazu peitschen müsste. Nur bin ich nicht so der Peitschen-Typ – Zuckerbrot ist mir wesentlich lieber. Umso erfreulicher war es festzustellen, dass das Meditieren selbst, kombiniert mit dem Gefühl absoluter Entspannung im Anschluss, schon so belohnend war, dass ich die Peitsche (Leder, 9-schwänzig) ungenutzt wieder wegpacken konnte und schon bald begann, die 5 Minuten zu überziehen – heute dauern meine Meditations-Einheiten im Schnitt 40 Minuten.
Bringt’s was?
JA. Nach nicht ganz einem Jahr Meditationspraxis, kann ich behaupten, viel für mich gewonnen zu haben. Mir selbst fällt dies besonders in meiner Impulsivität auf. Wer mich näher kennt, wird bestätigen, dass ich phasenweise recht … … aufbrausend sein kann.
Diese Tendenz zu Jähzorn in Verbindung mit meinen neuropathischen Schmerzen hatte mir massive Probleme bereitet. Ich konnte nicht damit umgehen, dass das einzige wahrnehmbare Gefühl meiner Beine Schmerz war. Dies führte zu autoaggressivem Verhalten, das teilweise so ausgeprägt war, dass ich mir selbst starke Prellungen an den Oberschenkeln durch Faustschläge zuführte – ich hatte stets blaue Flecken. Dies ist heute nicht mehr der Fall. Mittlerweile ist über ein halbes Jahr vergangen, ohne dass ich mir Verletzungen zufügte, was ich zweifellos der Meditation zu verdanken habe.
Mit ein wenig Abstand betrachtet, lässt sich leicht erkennen, dass meine makellosen Oberschenkel nichts anderes Ausdruck einer allgemein gesteigerten Gelassenheit sind. Dinge die mich früher wohl hätten explodieren lassen, prallen heute einfach ab – zu meinem eigenen Erstaunen (und Entzücken).
Zum Schmerz
Gleich vor ab: Nein, die Schmerzen sind nicht verschwunden – wir wollen nicht übertreiben. Ich habe mich auch noch nicht auf glühende Kohlen gelegt. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass das Meditieren eine signifikante Verbesserung meiner Schmerzsituation bewirkt hat. Die spannende Frage ist Wie.
Denn auch wenn mir persönlich keine groben Veränderungen aufgefallen sind, wird mir aus meinem näheren Umfeld immer wieder signalisiert, wie viel seltener ich schmerzerfüllt zusammenzucke. Kann es sein, dass sich die Schmerzen in so kleinen Schritten gebessert haben, dass ich es selbst nicht wahrnehme? Eine klassische wachsendes-Gras-Situation?
Auch wenn ich mir also nicht sicher sein kann ob bzw. wie sehr sich die Schmerzen an sich in letzter Zeit gebessert haben, so kann ich dennoch behaupten, dass, zusammen mit der neu gewonnen Gelassenheit, auch meine Schmerztoleranz gestiegen ist. Einfach ausgedrückt: Ich habe heute eine dickere Haut als noch vor einem Jahr.
Sei es, wie es sei – für mich wurde Meditation zu einer ungeahnten Bereicherung meines Lebens. Und ich bin definitiv noch nicht am Ende des Weges angekommen.
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Verweise:
¹ Ein einfacher kleiner Tipp, den ich zusätzlich mitgenommen habe, ist, den ganzen Spaß (zumindest anfangs) zu timen. Handy auspacken, Timer auf 5 Minuten stellen und loslegen. Das bringt den Vorteil, dass man so nicht mehr versucht ist, auf die Uhr zu sehen.
² vgl. Ulrich Ott 2011: „Meditation für Skeptiker – Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst“
³ vgl. Gewohnheiten in 21 ändern