Über die Verfolgung von Tennisprofi Dominic Thiem, um ihn als Testimonial für ein Rollstuhl Tennis Turnier zu gewinnen.
English: On the heels of Dominic Thiem – Or: How to stalk a tennis player
Im Dezember 2017 konnte ich meine Premiere als Turnier-Direktor der UNIQLO-Wheelchair-Tennis-Tour feiern. Auch wenn es vorerst bei diesem einen Turnier bleiben sollte, war es doch eine grossartige Erfahrung, die ich unbedingt wiederholen möchte. Ein Erlebnis, das ich hier teilen möchte, ist der Versuch, Dominic Thiem als Testimonial für das Turnier zu gewinnen.

Bevor ich aber beginne, möchte ich mich erst einmal ganz herzlich bei meinem Namensvetter Nico Langmann für das Foto von sich mit Dominic bedanken. Als ein Topspieler der Rollstuhltennis-Weltrangliste, gehört Nico zum Who-is-Who der österreichischen Tennis-Szene und muss nicht zu einem vor Hotels herumlungernden Groupie werden, um an Spieler wie Dominic Thiem heran zu kommen.
Während der Vorbereitungen auf das erste internationale Rollstuhltennis Turnier auf Teneriffa, stiess ich auf die Meldung, dass sich Dominic Thiem für die Vorbereitung der folgenden Saison auf der Insel befand. Mir war sofort klar, dass ich ihn unbedingt treffen müsste – wer könnte das Turnier besser pushen als ein Top-10 Spieler der ATP.
Erster Schritt: Recherche
Ich setzte mich also vor meinen Laptop und machte mich auf, Dominics genauen Aufenthaltsort herauszufinden. Keine 10 Minuten später brachte mich ein Bericht des ORF (Österreichischer Rundfunk) auf die richtige Spur. Dominic kam im Bahia del Duque unter, einem der schönsten Hotels der Insel.
Das tolle: Das Hotel lag lediglich 20 Minuten von meinem Wohnort entfernt. Ich stieg also ins Auto und machte mich auf den Weg. In der Nähe des Hotels angekommen, schnappte ich mir gleich den ersten freien Parkplatz und kullerte mit einer Mischung aus Euphorie und Nervosität in Richtung Hotel …
Wo auch schon Schluss war.
Ich kam nicht einmal am Portier der Hotel-Einfahrt vorbei. Das konnte nicht wahr sein – keine hundert Meter entfernt drosch Dominic wohl herzhaft auf ein paar Filzkugeln ein und ich durfte nicht hin. Der Traum meines Promi-Testimonials war zu Ende.
Trotzdem wollte ich noch nicht das Handtuch werfen und begann mich mit dem durchaus sympathischen Portier zu unterhalten. Ich erklärte ihm die Umstände und wie wichtig mir ein Treffen mit Landsmann Thiem wäre. Scheinbar war auch ich dem Mann in seiner unsäglich hässlichen Uniform – ein Mix aus Hofnarr und Leibgarde der Queen – sympathisch, denn er griff sofort nach dem Telefon in seinem Kämmerlein und rief bei der Hotel-Rezeption an.
Er fragte für mich, ob es möglich wäre, zu Herrn Thiem an den Platz zu kommen, schliesslich sei ich ein grosser Fan. ABSAGE. Nächste Frage meines neuen Freunds: Ob man nicht bei Herrn Thiem anrufen könne, um seine Zustimmung für einen kurzen Besuch einzuholen. ABSAGE. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mein letztes Ass aus dem Ärmel zu ziehen – den Behindertenbonus – funktioniert immer. Von einer Minute auf die andere musste ich plötzlich ganz dringend aufs Klo. Ich wusste, sobald ich es auf die Anlage geschafft hätte, wäre ich nicht mehr aufzuhalten. Begeistert von dieser Idee zückte der Portier also noch einmal das Telefon und schilderte mein urologisches Dilemma – ABSAGE. Man kann dem Hotel keinesfalls vorwerfen sein Klientel nicht gut zu schützen.
Mein persönlicher Maulwurf
Es sollte nicht sein. Man konnte mir meine Enttäuschung wohl ansehen. Denn der Portier sah mich auf einmal verschwörerisch an, nahm mich zur Seite und sprach:
Hör zu, ich dürfte dir das eigentlich nicht sagen aber ich möchte dir helfen, vielleicht doch noch mit ‚Señor Tim‘ sprechen zu können. Ich kann dir nichts versprechen aber normalerweise verlässt er die Anlage zwischen 1 und halb 2, um irgendwo essen zu gehen.
Gespannt spitzte ich die Ohren, das wäre ja innerhalb der nächsten halben Stunde!
Bisher verliessen sie die Anlage immer zu dritt in einem roten Auto. Gestern ist aber sein Trainingspartner damit abgereist. Ich weiss also nicht, ob ‚Señor Tim‘ auch heute das Hotel verlassen wird. Es ist ja auch sein letzter Tag. Was hältst du davon, wenn du dein Auto holst, dich vor die Einfahrt stellst und ich dir Zeichen gebe, sobald er an mir vorbei kommt?
Fast verliebte ich mich ein bisschen in den Portier. Ich stimmte zu, dankte ihm tausende Male und machte mich schnell auf den Weg zum Auto. Dort angekommen, pinkelte ich noch kurz in eine leere Flasche (ich musste tatsächlich dringend aus Klo) und fuhr sofort wieder zum Hotel, wo ich mich dem Portier noch einmal zu erkennen gab.
Ich platzierte mich strategisch so vor der Ausfahrt, dass ich einerseits niemanden blockierte, andererseits aber einen guten Überblick durch den Rückspiegel hatte. Im Anschluss richtete ich den Spiegel noch einmal gut ein und begann zu warten. Nach den ersten fünf Minuten machte sich schon ein wenig Langeweile bemerkbar – Zeit fürs Handy. Nach einer viertel Stunde wusste ich auch damit nichts mehr anzufangen. Zehn Minuten später – es war schon fast 14:00 Uhr – begann mir zu dämmern, dass Dominic wohl nicht mehr kommen würde. Ich beschloss also das Projekt Thiem um Punkt 2 Uhr endgültig abzubrechen.

Grauer Kombi
In diesem Moment sah ich ein graues Auto die Hotel-Ausfahrt hinauffahren und den Portier mit beiden Armen über dem Kopf wacheln* – subtil. Während ich dem Portier noch einmal grüssend zuwinkte und den Motor startete, fuhr Dominic schon an mir vorbei. Ich heftete mich also an seine Fersen – zumindest mehr oder weniger, denn ich musste erst das Fahrzeug hinter Dominic passieren lassen.
Glücklicherweise waren wir auf einer vierspurigen Strasse unterwegs – zwei Spuren in jede Richtung, unterteilt durch eine Grünanlage mit Palmen – ich konnte also das Auto zwischen uns gefahrlos überholen und wieder auf den grauen Kombi aufschliessen. So ging es auf der linken Spur noch ein paar hundert Meter weiter. Gerade als ich mich ein wenig zu entspannen begann, nutzte Dominic unvermittelt eine Lücke der Grünanlage zur Kehrtwende. F***! Wollte er mich abschütteln? Warum sonst sollte er dieses Harakiri Manöver machen? Und ich? Sollte ich mich so einfach geschlagen geben und ihn ziehen lassen? Niemals!
Geschüttelt, nicht gerührt
Ich checkte, ob die Luft rein war, kopierte das Manöver, überholte noch einen Gelenkbus und schon klebte ich wieder hinter ihm. Wie James Bond. Nicht ganz, denn ich liess mich gleich wieder überraschen, als der graue Kombi vor mir plötzlich auf der linken Spur zum Stillstand kam. Wenn ich jetzt hinter ihm stehen bliebe, wäre ich wohl endgültig aufgedeckt. So fuhr ich im Schneckentempo rechts vorbei – den Kombi stets im Blick. Kaum war ich vorbeigefahren, bog Dominic schon wieder mit freiester Auslegung der Strassenverkehrsordnung links ab. Mir fiel die Kinnlade herunter. Was nun? Mein Heimvorteil brachte mich allerdings schnell wieder in Fassung, denn ich wusste, Dominic war in eine Sackgasse abgebogen. Also ab zum nächsten Kreisverkehr und rein in die Sackgasse.
Verfolgung zu Fuß
Keine 2 Minuten später war der graue Kombi auch schon wieder entdeckt – leer und am Strassenrand geparkt. Schnell stellte ich das Auto ab, warf meinen Rollstuhl raus und machte mich zu Fuss auf die Suche. Dominic musste irgendwo bei der Strandpromenade sein. Mein Problem: Stufen – gleich 30 oder 40 an der Zahl. Definitiv zu viele für einen Alleingang. Freundlicherweise lösten zwei hilfsbereite Passanten dieses Problem für mich.
An der Promenade angekommen, begann ich Bar für Bar abzugrasen … und hatte Glück. Schon im dritten Lokal sah ich Dominic Thiem in einer abgelegenen Ecke sitzen, vertieft in ein scheinbar recht ernstes Gespräch mit seinem Gegenüber.
Timing
Beide hatten eine eher ernste Miene. Nicht der beste Moment für eine Unterbrechung, dachte ich. Ich beschloss also zu warten. Ohne meine Zielpersonen aus den Augen zu lassen, ging ich an die Bar und bestellte einen Kaffee. Der Plan war einfach: Warten, bis sich die Gesichtszüge erhellen, und zuschlagen.
Es dauerte nicht lange und mein Moment war gekommen – der Ansatz eines Lächelns zeichnete sich auf Dominics Gesicht ab. ZUGRIFF. Ich stellte die Kaffeetasse ab, nahm meinen Mut zusammen und steuerte auf den Tisch zu.
Verheiratet?
„Herr Thiem?“ fragte ich scheinheilig, als ob ich das nicht wüsste. Dominic drehte sich zu mir um und nickte. Als ich ihm die Hand entgegenstreckte und mich vorstellte, stand er höflich auf, grüßte und stellte seine Begleitung vor. Gegenseitiges Händeschütteln. Wer der zweite Herr war? Keine Ahnung – Ich war viel zu aufgeregt, um zuzuhören.
Um keine angespannte Stille aufkommen zu lassen, quasselte ich gleich los. Es dauerte nicht länger als eine Minute, mich nochmal vorzustellen, Dominic zu erklären, weshalb ich ihn belästigte und wie ich auf ihn ‚gestoßen‘ war. Ob ich zwischendurch auch atmete, könnte ich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen.
Jedenfalls schien Dominic die Geschichte der Verfolgungsjagd zu amüsieren. Er lachte und meinte etwas in dieser Art: „Wow, eindrucksvoll! Wenn mich mal meine Frau betrügen sollte, dann weiß ich, wenn ich ansetze.“
Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten über Teneriffa, (Rollstuhl-) Tennis und das geplante Turnier. Da ich die beiden aber nicht allzu lange aufhalten wollte, verabschiedete ich mich recht bald und zog von dannen – mit der Telefonnummer von Günter Bresnik in der Tasche, dem Trainer und Strippenzieher. Ein voller Erfolg!
*wacheln: bayrisch, österreichisch umgangssprachlich für winken, fächeln, wehen. vgl. duden.de
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