Kitesurfen für Rollstuhlfahrer: Spotguide Limnos – Keros for All

Der Surf Club Keros auf der Griechischen Insel Limnos ist unter Kite- und Windsurfern zwar schon längst kein Geheimtipp mehr, dass das Camp barrierefrei ist und die Station Sitkite Kurse anbietet, ist allerdings nicht jedermann bekannt.

English: Adaptive kiteboarding Spotguide Lemnos

Schon im Frühsommer 2015 lockte der Surf Club Keros mit einem adaptive Kiteboarding Camp auf die Griechische Insel Limnos. Ich beschloss, das Camp mit einem Roadtrip zu verbinden. So ging es vom Österreichischen Innsbruck über die Balkanhalbinsel nach Griechenland, von wo aus eine Fähre auf die Insel der Nord-Ägäis übersetzte.

Two men on an inflateable sofa on the water. The man in front with beard and helmet is holding a kite-bar. The man in the background is pointing to the kite.
Makis (vorne im Bild) und Giannis auf der Kite-Couch.

Zu meinem Glück traf ich schon an Bord des Schiffes auf Giannis und Makis. Ersterer ist einer der Teilhaber des des Surf Club Keros, während Makis das Aushängeschild des Griechischen Rollstuhlsports schlechthin ist. Ich befand mich also in bester Gesellschaft, was gleich zweierlei Vorteile hatte: Zum Einen verkürzten meine Begleiter die Überfahrt massiv. Und zum Anderen brauchte ich ihnen nach Ankunft auf Limnos nur zu folgen, um zum Camp zu gelangen.

Da es stockdunkel war und ich alle Hände voll zu tun hatte, nicht den Anschluss an Makis‘ Jeep zu verlieren, bekam ich während der Anreise nicht allzu viel von den landschaftlichen Vorzügen der Region mit. Klar war nur, dass sich das Camp abseits des üblichen Urlaubstrubels befand. Die Straßen wurden stetig kleiner bis sie auf den letzten Kilometern schließlich zu einer einspurigen Schotterstraße zusammengeschrumpft waren. Am Ziel angekommen fielen sofort zwei Dinge auf. Stille und Dunkelheit. Abgesehen von der spartanischen Beleuchtung des Camps konnte man nur in weiter Ferne die eine oder andere Lichtquelle ausmachen.

Schaumkronen und Cappuccino

Als ich am folgenden Morgen noch etwas schlaftrunken die Nase aus dem Bus streckte, hätte es mir wohl die Schuhe ausgezogen, wenn ich welche angehabt hätte. Der Anblick war atemberaubend. Die dominierende Steppenlandschaft, nur unterbrochen durch einige Olivenhaine in kräftigem Grün, bot den perfekten Kontrast zum türkis-blauen Wasser der Bucht. Noch wehte nur eine leichte Brise doch konnte ich mir schon lebhaft vorstellen, wie sich die Bucht bei auffrischendem Wind langsam mit weißen Schaumkronen füllt.

The green and yellowish steppe in front. In the middle you see the greenish tents. In the background a small white chappell next to olive trees. Behind it the blue sea with some white caps.
Der Anblick des Camps im Naturschutzgebiet ist bilderbuchreif.

Schaumkronen … Schaum … Milchschaum … Cappuccino … Kaffee – es war eindeutig Zeit fürs Frühstück. Zuerst galt es aber ins Safari-Zelt umzuziehen und zu duschen, schließlich möchte man einen guten ersten Eindruck (möglichst ohne Naserümpfen) hinterlassen. Nach der Dusche ging es direkt zum Frühstücksbuffet. Frisches Obst, Griechisches Joghurt, Käse, Brot, Eier in jeglicher Form etc. etc. – ein Schlaraffenland. Ich selbst kam selbstverständlich nicht an den Rühreiern vorbei. Dazu gab es Orangensaft und Kaffee – direkt an den Tisch serviert.

Während des Frühstücks kamen allmählich auch die anderen Camp-Teilnehmer aus ihren Löchern gekrochen. Aus allen Herren Ländern schienen sitzende wie auch stehende Kitesurf-Enthusiasten dem Ruf von Giannis, aka Hawaiis, gefolgt zu sein. Frankreich, England, Schweiz, Österreich, Südafrika und Kanada. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der sich von Tag zu Tag immer besser zusammenraufen sollte.

Spagat im Naturschutzgebiet

Man lying in a hammock. Next to him a wheelchair. In the background the steppe and the bay.
Die Hängematten im Camp laden zum Faulenzen ein. (Foto by Tim Farr)

Der erste Tag sollte noch windstill bleiben, was nicht allzu sehr störte. So war genug Zeit, sich von der Anreise zu erholen, die anderen Teilnehmer kennen zu lernen und das Camp zu erkunden. Letzteres würde ich als schnörkellos aber stilvoll zusammenfassen. Vom Empfang über die Bar bis hin zur Chilling-Lounge ist die Grundstruktur hauptsächlich in Holz gehalten und möglichst offen gestaltet. Alles ordnet sich der Hauptattraktion unter – dem Panorama der unter Naturschutz stehenden Bucht.
Trotzdem haben es die Eigentümer geschafft, die Anlage weitgehend barrierefrei zu gestalten – ein schwieriger Spagat, der hier sehr gut gelungen ist. Das Tüpfelchen auf dem i ist aber eindeutig der Service. Die gefährlich hohe Qualität des Essens, die Reinlichkeit der Anlage und selbstverständlich das zuvorkommende Personal sind, was den Surf Club Keros ausmacht.

An illuminated tent with the door open. Inside a woman sits on a bed. Outside on the dark porch a man is lying in a hammock in the dark of the night.
Das Leben im Zelt ist etwas besonderes.

Trotz des Luxus darf nicht vergessen werden, dass es sich um ein Camp handelt. Die Zelte sind zwar barrierefrei und beherbergen ein eigenes Badezimmer, dennoch sind und bleiben es … Zelte. Trotz Klimaanlage lässt sich die Temperatur im Zelt nur bedingt und mit einem Hauch schlechten Gewissens regulieren. Ebenfalls ist die Wahrscheinlichkeit, dass diverse private Geräusche von anderen ungehört bleiben, verschwindend gering. Auch dass sich gelegentlich das eine oder andere Insekt ins Zelt verirrt, lässt sich nur schwer verhindern.
Hierzu ein kleiner Tipp: Süßes und andere Lebensmittel offen im Zelt liegen zu lassen, ist nicht besonders ratsam. Auch empfiehlt es sich zum üblichen Gepäck Ohrenstöpsel, ein Mückenspray und eine Stirnlampe mit in den Koffer zu packen. Nimmt kaum Platz weg, wirkt Wunder.

Batterien ent-laden

Da auch der 2. Tag windlos bleiben sollte, nutzte ich die Zeit, um die Kitestation am Strand zu begutachten und das Material vorzubereiten. Das Center befindet sich Luftlinie ungefähr 500 Meter vom Camp entfernt. Trotzdem ist es wesentlich geschickter und schneller auf das alle 15 Minuten verkehrende Shuttle zurückzugreifen. Selbst mit dem Rollstuhl an den Strand zu fahren wäre eine langwierige und vor allem staubige Angelegenheit – die 5 minütige Autofahrt ist da wesentlich entspannter.

The steppe of Keros with some olive trees. In the background the turquoise bay with two kites.
Die Station ist perfekt an die Landschaft angepasst.

Die Station am Strand bleibt der Linie des Surf Club Keros selbstverständlich treu – einfach, unprätentiös aber mit herausragendem Service. Wer möchte, schwingt sich mit einem Buch in eine der Hängematten. Die Batterien füllt man am besten an der Beachbar wieder auf. Wer diese aktiv zu entladen hofft, sei auf einen kleinen, dennoch Rollstuhl-freundlichen Holzverschlag hinter der Station verwiesen. Wo man eigentlich ein Plumpsklo erwarten würde, glänzt glücklicherweise ein ganz normales Wasserklosett. Auch zum Umziehen gibt es genug Platz. Einfach aber funktional. Nochmal zu Erinnerung: Die Bucht von Keros ist Naturschutzgebiet.

Argonauten im Kajak

Auch wenn der Wind nicht so richtig mitspielen sollte, braucht man keine Sorge vor Langeweile zu haben. Eine Exkursion im Kajak oder SUP stellt bei Flaute eine durchaus verlockende Alternative zum Kiten dar.

A group of people in kayaks or standing on SUPs. The sun is going down.
Eine Paddel-Tour in der Bucht sollte man nicht verpassen.

Wer mal eine Auszeit vom Strand braucht, den überzeugt möglicherweise eine Yoga-Session oder Massage. Auch ein Insel-Ausflug sei Limnos-Besuchern dringend ans Herz gelegt. So schön Strand und Camp auch sein mögen: Wer sich nur auf diese beiden Örtlichkeiten beschränkt, verpasst was. Immerhin reden wir von einem besonderen Fleckchen Erde. Laut Griechischer Mythologie wurden einst schon die Argonauten herzlich auf Limnos aufgenommen. Zu jener Zeit soll die Insel ausschließlich von Frauen besiedelt gewesen sein. Kein Wunder, dass die Besatzung kaum weg zu bekommen war.¹
Wer mehr über die Sehenswürdigkeiten der Insel erfahren möchte, fragt einfach Chara im Front Office oder liest nach, was sie über 5 cool things to do and places to visit on Limnos Island zu erzählen hat.

Meltemi für Sofa-Surfer

A sitting kiteboarder during the start. Behind him the kite instructor has just let go of the board.
Seichtes Wasser, konstanter Wind – ideal für die ersten Wasserstarts.

Sobald sich der Meltemi beginnt durchzusetzen, spielt all das aber keine Rolle mehr. Nun zählen nur mehr Wind und Kite. Egal ob auf dem Cata-Kite, dem Kite-Sofa oder dem Sitkite-Board, das Ziel ist klar: Autonomes Sitkiten. Die Kitesurf Lehrer und Lehrerinnen geben dabei ihr Bestes, um die Schüler Stück für Stück an den Sport heranzuführen. Wenn dann die ersten Fahrten klappen, hat man die ganze Bucht zur Verfügung, um an Feinheiten zu feilen und das ans Fliegen grenzende Gefühl zu genießen.

The waitress with a pony tail wearing a red Hawaiian blouse with white flowers. In her hand a tray with some cocktails.
Die freundliche Bedienung sorgt für das Wohl der Gäste.

Nach der Session nutzen die Camp-Bewohner die Zeit üblicherweise zum Duschen und Ausruhen. Der Sonnenbrand wird noch schnell mit einem After-Sun behandelt (es lebe der Placebo-Effekt) und schon geht es zum Abendessen, wo man in der Regel wesentlich mehr Kalorien zu sich nimmt, als man zuvor verbrannt hat. Nichts, was ein guter Digestif nicht lösen kann (auf die eine oder andere Weise) – Johnnie Walker lässt grüßen.

Auch wenn das Hausen in Zelten wohl nicht jedermanns Sache sein wird, ist ein Aufenthalt im Surf Club Keros eindeutig eine Reise wert. Hat man sich erst auf das Camp-Leben eingestellt, steht einem unvergesslichen Urlaub nichts im Wege. Also rein in den Flieger – es wird Zeit, die Speichen zu salzen.

Steckbrief Surf Club Keros:

Saison:
Die Wind-Saison auf Limnos geht in der Regel von Mai bis Ende September, wobei Juli und August die best gebuchten Monate im Jahr sind. Anfang Juni bietet der Surf Club Keros für Rollstuhlfahrer jährlich das „Keros for All“ Camp an. Auch der Britische Rollstuhl-Sport-Verein Access Adventures organisiert ein jährliches Kite-Camp im Surf Club Keros – Termin 2019: 12.-19. September. Auch wenn es empfehlenswert ist, eines dieser Angebote zu nutzen, kann man einen Urlaub in Keros selbstverständlich auch individuell buchen – einfach davor die Kapazitäten für einen adaptive Kiteboarding Kurs abklären.

Wind:
In der Ägäis herrscht während des Sommers der Meltemi und sorgt für eine Windausbeute von bis zu 70%.² In der Regel kommt der Wind auf Limnos mit 4 – 7 Windstärken aus Nordost³, was in der Bucht von Keros Wind von Links bedeutet.

Besonderheiten und Gefahren:

A drone-foto of the bay. In the turqoise water you can see the white lines produced by kiters and windsurfers.
Die Bucht von Keros birgt kaum Gefahren.

Von „Gefahren“ in der Bucht von Keros zu sprechen ist eigentlich überflüssig, da ich mir kaum einen sichereren Spot vorstellen kann. Abgesehen von einer kleinen Öffnung ist die Bucht zum offenen Meer hin geschlossen. Auch die Strömungen sind vernachlässigbar. Lediglich im Norden der  sandigen Bucht versteckt sich der eine oder andere Fels unter der Wasseroberfläche – Dank dem kristallklaren Wasser erkennt man diese aber schon von der Ferne. Die größte Besonderheit der Bucht ist wohl dessen Abwechslungsreichtum. Am Nordende ein spiegelglatter Speedspot, entsteht in der Mitte ein leichter Chop, der sich im Süden der Bucht zu einer surfbaren Welle entwickelt, die manchmal auch eine stattliche Größe erreicht.

Sitkite-Material:

A hobie cat with a kite instead of a sail. 4 people sitting on top. White spray from the speed.
Im Cata-Kite kann es schon zur Sache gehen.

Was das Sitkite-Material betrifft, sticht die der Surf Club Keros im Schulungsbereich heraus. Ein Cata-Kite erlaubt gemeinsam mit den Lehrern gefahrenfrei die Kitesteuerung am Wasser zu trainieren. Ein herrliches Feature ist das Kite-Sofa, in dem Kite-Schüler und Lehrer gemütlich nebeneinander sitzen können, um diverse Flugmanöver zu trainieren. Selbstverständlich ist das Center auch mit Motorbooten ausgestattet, um für Sicherheit zu sorgen. Und, wie könnte es anders auch sein, gibt es natürlich auch Sitkite-Boards. Diese sind zwar nicht auf dem höchst möglichen Stand der Entwicklung, reichen aber perfekt aus, um erste Erfahrungen zu sammeln.

Barrierefreie Unterkünfte:

Tent from inside: A double bed and in the background the wooden wall of the bathroom.
So sieht ein Zelt von innen aus.

Wie weiter oben erwähnt, sind die Luxus-Safari Zelte des Camps ziemlich Rollstuhl-freundlich. Bis zu 5 Personen können in diesen geräumigen Zelten nächtigen. Auch die Badezimmer im Zelt bieten viel Platz und eine offene Dusche, in die bei Bedarf ein Gartenstuhl gestellt werden kann. In die auf Plattformen gestellten Zelte kommt man über Metall-Rampen, die zugegebenermaßen recht steil sind. Im Buffet- und Bar-Bereich ist die Barrierefreiheit makellos. Überall Rampen, wo nötig, sowie ein zugängliches WC.

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Weiterführende Links:

Verweise:
¹ vgl. wikipedia.org
² vgl. www.kitereisen.tv
³ siehe se.kiteforum.com

Fotos by Surf Club Keros
keroslogo

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