Im Juni 2019 durfte ich als erster Rollstuhlfahrer mit Querschnittlähmung an einem Kite-Lehrer Kurs der IKO teilnehmen. Ein Blick zurück …
English: Rolling IKO-Kiteboarding-Instructor
Endlich ist es geglückt … eine erfolgreiche Teilnahme an einem IKO Kitesurf Instruktoren Kurs. Nachdem ich beim ersten Versuch aus privaten Gründen leider habe abbrechen müssen, gaben mir die Organisatoren freundlicherweise die Möglichkeit, den Kurs zu wiederholen. Diesmal blieb ich bis zum Schluss.
Beginnen wir von vorne
Nachdem ich gehört hatte, dass auf Teneriffa ein Instruktoren Kurs stattfinden würde, war mir klar, dass ich diese Chance unbedingt ergreifen müsse. Ein Diplom der IKO als Kitesurflehrer könnte einige Türen öffnen, um in Zukunft adaptive Kiteboarding Camps organisieren zu können. Dass ich der erste Kurs-Teilnehmer mit Rollstuhl sein würde, gab zugegebenermaßen einen extra Motivationsschub.

So stand ich also am ersten Kurstag um zehn vor neun vor der Türe von Sognicanarias, der mit der Organisation betrauten Kiteschule. Bevor es aber endgültig losgehen sollte, gab es noch ein gemeinsames Frühstück mit allem, was dazugehört. So darf ein Lehrgang beginnen … locker-flockig mit frischen Croissants.
Von früh bis spät
Rückblickend war der Kurs an sich doch nicht so locker-flockig. 10 Tage von 09:00 Uhr bis 18:00 Uhr, eine Stunde Mittagspause. Statt Croissants gabs Abends Hausübungen und ein zu absolvierendes Lernpensum. Logische Schlussfolgerung: Gegen zehn Uhr Abends lag ich meist schon halb tot im Bett.
Um rechtzeitig im Klassenzimmer zu sitzen, läutete der Wecker in der Regel um 06:15 Uhr. Manch einer der sitzenden Gattung wird das nachempfinden können … ein Zeitpolster beim morgendlichen Badezimmerbesuch kann nie schaden.
Kaffee und Sand
Ein zweiter Kaffee kurz vor der ersten Theorie-Einheit des Tages sollte dem Hirn einen zusätzlichen Schub geben. Von Aerodynamik über Meteorologie bis hin zu didaktischen Feinheiten kauten wir so ziemlich alles durch, was das Kiter-Herz begehrt und manchmal auch überfordert. Nach einem schnellen Mittagessen (und einem dritten Kaffee) ging die Schulung zumeist am Strand weiter. Mit echten Schülern galt es nun, das theoretisch Erlernte in die Praxis umzusetzen. Es war vor allem dieser Teil, der sowohl dem Trainer Max als auch mir die größten Schwierigkeiten bereitete. Dank Unterstützung der ganzen Gruppe gelang es zwar, irgendwie an den Trainingsplatz zu kommen, doch von da an konnte ich der Schulung nur bedingt folgen.

Kitesurf Schulung am Strand ist dynamisch, man verbleibt nie an einer Stelle. Vielmehr bewegt man sich innerhalb eines Umkreises von rund 50 Metern in einem kaum nachvollziehbaren Muster. Diesem Bewegungsschema konnte ich nicht folgen, ohne den Rest der Gruppe auszubremsen, weshalb ich die Aktivitäten hauptsächlich von einer gewissen Distanz aus beobachtete. Was mich selbst nicht besonders belastete, nagte sichtlich an Max. Manchmal außen vor zu stehen, gehört zum Alltag von Rollstuhlnutzern – man lernt sich damit zu arrangieren. Für Außenstehende ist das allerdings oft nur schwer zu verdauen. So erging es auch Max. Beiden von uns war allerdings eines klar: Um wirklichen Nutzen aus dem Kurs ziehen zu können, muss eine Lösung für das Problem Strand her.
Toeside oder Steuerbord

Den folgenden Tag galt es aber für den Fahrtechnik-Teil zu nutzen. Die Wind-Vorhersage für den Rest des Lehrgangs verhieß nichts gutes, weshalb wir uns schon an diesem Nachmittag in die Fluten stürzten, um die für einen Kitelehrer vorausgesetzten Fahrfertigkeiten unter Beweis zu stellen. Machbar. Dennoch … manch ein gefordertes Manöver, wie etwa Toeside-Halsen waren für mich mit einem grundlegenden Problem verbunden. Beim sitzenden Kiten gibt’s das nicht. Zum Vergleich: Habt ihr schon mal einen Ski-Fahrer bei einem Backside-Turn gesehen? Ich auch nicht. Max gab sich zum Glück aber mit einer normalen Halse zufrieden.

Am Nachmittag des Folgetages machten wir eine kleine Spritztour auf hoher See. Max lehrte uns die Feinheiten der Kite-Schulung vom Boot aus. Die richtige Vorbereitung von Kite & Bar und natürlich das Starten & Landen sind hierbei die wichtigsten Grundkenntnisse, die man beherrschen sollte. Ein Adrenalinjunkie als Kapitän auf einem Boot mit 700 PS gab dieser Einheit eine besondere Würze, die ich nur mit Glück in mir behalten konnte.
Eine Frage der Kommunikation
Auch wenn sich an den folgenden Tagen die miserable Wind-Vorhersage leider bestätigen sollte, gab es dennoch genug Luftzug, um weiter an der Schulung am Strand zu feilen. Diesmal konnte auch ich endlich aktiv am Kurs teilhaben und Kiteschüler malträtieren. Die Lösung war im Nachhinein gesehen einfach wie genial. Ein Kitelehrer-Anwärter übernahm die Rolle meines Assistenten, während ich mittels Headset direkt mit meinen Schülern in Verbindung war. Heureka!

Diese Schulungserfahrung brachte für mich zweierlei zu Tage. Erstens, dass mir Unterrichten wirklich Spaß macht. Und zweitens, dass es nicht leicht ist, jemandem etwas zu erklären, das man selbst nie gemacht hat. Die Rede ist vom Aufbauen eines Kites – was bitte unter uns bleibt. Während ich bei meinem ersten Schüler also hauptsächlich damit beschäftigt war, meine mangelnden Kenntnisse zu vertuschen, wusste ich am Folgetag schon tatsächlich wovon ich redete und genoss das Lehren umso mehr. Ein Feuer war entfacht.
Zielgerade
Das Ende des Lehrgangs bildete eine kurze Präsentation jedes einzelnen Kursteilnehmers und, wie könnte es anders sein, ein Abschluss-Examen. Ich selbst durfte über die Besonderheiten des Wasserstarts im Sitzen berichten. Ein spannendes Thema, das mich zwang, einen genaueren Blick auf die einzelnen Abläufe und Schwierigkeiten bei diesem Grundmanöver zu werfen.
Auch das Examen konnte ich positiv abschließen, womit ich den Kurs in der Tasche hatte. Jetzt trennen mich nur noch 20 Praktikums-Stunden von einer Zertifikation … ich freu mich schon drauf.

Gefeiert wurde der für alle gut verlaufene Kurs mit einem gemeinsamen Abendessen, das bei dem einen oder anderen auch unter dem Tisch geendet haben könnte. Nette Gesellschaft kombiniert mit großartigem Essen und gutem Wein. Ein unvergesslicher Abend – für die meisten.
Unabhängig von der Feier war der Kurs für mich eine enorme Bereicherung. Es war schön, Teil eines Teams zu sein und von den Erfahrungen und Kenntnissen von Max und den anderen Absolventen zu profitieren. Auch habe ich das Gefühl und die Hoffnung, dass adaptive Kiteboarding früher oder später einen festen Platz im Wassersport-Universum und der IKO ergattern wird. Vielleicht müssen Flüsse gar nicht erst aufwärts fließen, bis die ersten rollenden IKO-Instruktoren an den Kite-Schulen dieser Welt angeheuert werden.
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Links:
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– ProKite Academy (Station des IKO-Trainers ‚Max‘ in Ägypten): prokiteacademy.com
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